DANN HALT DURCH MAROKKO
Die meisten Menschen scheitern, weil sie nicht beharrlich genug sind, um neue Pläne zu entwerfen, die an die Stelle derer treten, die scheitern (Napoleon Hill)
Man kann planen, machen und tun – wenn es nicht sein soll, soll es nicht sein. So muss man sich das Resultat aus drei Monaten winterlicher Planung und anschließendem Misserfolg vorstellen. Ende Februar machen wir uns nämlich auf den neuerlichen Weg nach Andalusien. Das Auto samt Anhänger ist mit Ersatzteilen, Malerfarbe und sonstigem Krims Krams gepackt – denn wir wollen zuallererst das Antifouling erneuern. Mit der Marina Mázagon stehen wir seit Januar in Kontakt wegen dem Krantermin – leider hat man uns auf die gewünschte e-mail-Reservierung nur vage geantwortet. Schon zu diesem Zeitpunkt schwant uns nichts Gutes.
Alles kommt anders
Nach vier Tagen Fahrt steuern wir vor Ort dann gleich das Hafengebäude an. Fünf Minuten später trifft uns die Ernüchterung mit voller Wucht. Also sie hätten mindestens zwei Monate Wartezeit, außerdem sei der Travellift im Moment kaputt und müsste zuerst repariert werden – das einzige, was sie uns anbieten könnten, wäre der Eintrag in eine Warteliste – aber ohne jegliche Zeitgarantie. Bumms! Na prima, und nun? Der Frust gibt auf der Überholspur Vollgas. Wir telefonieren in den nächsten Tagen mit mehreren anderen Marinas – das Ergebnis ist mehr oder weniger immer das gleiche: voll, Warteliste und falls es mal eine Zusage gibt, dann darf man dort nicht selber am Schiff arbeiten, sondern muss die Arbeiten den dort Beschäftigten überlassen. Diese Option kommt für uns schon aus finanziellen Gründen gar nicht in Frage.
Noch während wir die Überlegungen und Gedanken hin- und her wälzen, ob wir jetzt einfach so auf die Kanaren fahren sollen und die Erneuerung des Unterwasseranstrichs auf irgendwann sonst verschieben sollen, hat sich das Schicksal im Hintergrund schon eine neue Herausforderung ausgedacht – das liebe Wetter! Kurz und knackig erzählt: fast einen Monat lang hält uns das Katastrophenfrühjahr 2025 in Spanien bzw. Andalusien fest in seiner Hand. Ein nicht enden wollender Südwind mit bis zu 40 Knoten verwandelt unseren Flusshafen in Huelva zu einer nie erwarteten Wellenorgie. Ganz abgesehen von dem brutalen Regen, der darnieder fällt, müssen wir mehrere schlimme Stürme über uns ergehen lassen, die uns eins um andere Mal Angst ums Schiff einjagen. Mit 10 Leinen und Ruckdämpfern haben wir die Yámana in alle Richtungen abgespannt und trotzdem jagt der Sturmwind sie wie eine Schiffschaukel auf dem Jahrmarkt auf- und nieder. In unserer unmittelbaren Umgebung sinken 20 Boote, Dörfer müssen evakuiert werden und der Stausee oberhalb des Rio Odiel hat dermaßen Hochwasser, dass die Behörden Wasser am Damm ablassen müssen. Diese Aktion lässt Unmengen von Grasbüscheln und ganze Holzstämme flussabwärts treiben und bringt uns und andere Boote, aber auch die Steganlagen des Hafens selbst in Gefahr. Manchmal meinen wir, mitten im Amazonas zu liegen.
Was nun? Dann halt durch Marokko
Das einzig Positive vom ersten Monat ist: bis jetzt haben wir keinen Schaden erlitten und Spanien hat wieder Wasser! Alle Stauseen sind gefüllt und entlasten diesbezüglich für mindestens zwei Jahre die Menschen und ihre Landwirtschaft. Wir hingegen fühlen uns nicht so toll und irgendwie voll ausgebremst. Was sollen wir bloß tun? So schlagen wir der Marina Mázagon vor, unseren Krantermin auf Anfang Mai zu verschieben, damit sie mehr Zeit haben, ihre Warteliste abzuarbeiten und entscheiden, statt Boot nun halt Camper zu fahren. Da wir ja VW-Busslesfahrer sind, wollen wir das Zeitfenster bis zum nächsten anvisierten Krantermin nutzen, um einen Road-Trip durch Marokko zu unternehmen. Gibraltar und das naheliegende nordafrikanische Land liegen ja nicht weit von uns entfernt und vor allem brauchen wir nach diesen eher bescheidenen letzten Wochen dringend Tapetenwechsel. Also, gesagt, getan – auf geht`s nach Marokko!
Marokko – Traum aus 1001 Nacht oder Massakertourismus?
Da wir ja keine Reiseberichte schreiben, keine Reisempfehlungen geben und auch keinen Geheimtipp für das letzte unentdeckte Paradies zur Hand haben, sondern der Ansicht sind, dass man Reisen und Entdecken selbst tun muss, sind auch die folgenden Kommentare und Beobachtungen rein subjektiv zu betrachten. Es ist eben unsere Sicht nach vier Wochen und fast 5000 Kilometer durch das nordafrikanische Land.
- tolle Märkte, unaufdringliche Marokkaner, meist sehr gute Straßen
- günstiger Diesel, teure Carrefour-Supermärkte, Alkohol nur in sogenannten Caves
- ein sehr offener Islam, mit dem wir gut zurecht kamen
- verbaute nördliche Atlantikküste, ungehemmte Immobilienspekulation, erstaunliche Fortschrittlichkeit
- viel zu wenige Campingplätze mit oft bescheidener Infrastruktur
- Agadir, Rabatt und Tanger mit guten Marinas – Essaouira und El Jadida bedingt geeignet
- problemlose Ein- und Ausreise mit unserem Hund Flint
- überbordender Wohnmobiltourismus, viele Polizeikontrollen mit Radar
- herausgeputztes Rabatt, unschönes Casablanca, Touristenattraktion- und nepp Marrakesh, gepflegtes Tanger
- landschaftlich schöne Strecken über das Atlasgebirge
- viele streunende Katzen, wenige wilde Hunde
- gutes, günstiges und schmackhaftes Essen auf den Märkten oder am Straßenrand
- nervige Ausreiseprozedur in Tanger Med
- schönes Essaouira mit Markt und Fischereihafen
Es war eine insgesamt interessante Zeit, die uns allerdings auch das eine oder andere Mal ins Diskutieren brachte. Sei es über den Müll, die Schön- oder Hässlichkeit der Landschaft (oder was die Menschen daraus gemacht haben), die Lust oder der Frust am ewigen Handeln, die nicht enden wollende Wohnmobilkolonne quer durchs ganze Land oder unser Spaß über die Offroad-Abenteurer, die in Zagora vor den Werkstätten Schlange standen. Zu einem Lieblingsland ist Marokko nicht ganz geworden – aber gesehen haben sollte man es schon!