ZEITGESCHICHTE ZWEIER RIVALEN
Die gesamte Geschichte der Menschheit ist auf jeden Fall nichts anderes als ein langwieriger Kampf bis zum Tod um die Eroberung des universellen Prestiges und der absoluten Macht (Albert Camus)
Mittlerweile haben wir uns die Länder Spanien und Portugal nicht nur von Land – sondern vor allem auch vom Wasser aus ziemlich ausgiebig angeschaut. X-mal sind wir nun von Zuhause in die Pyrenäen, nach Galicien, an die portugiesische Westküste oder auch nach Andalusien gefahren – entweder als Urlaubsreise oder aber meistens auf dem Weg zum Boot, welches in einem Hafen auf uns gewartet hat. Und nachdem wir vom spanischen Baskenland immer der iberischen Halbinsel entlang bis nach Andalusien gesegelt sind, haben wir auch von See her einen ganz guten Eindruck der beiden Länder. Da es nun jedoch in absehbarer Zeit vielleicht Abschied nehmen vom europäischen Festland heißt, möchten wir mit diesem Blog zur Abrundung einmal hinter die touristischen Kulissen der beiden Länder schauen – aus unserem ganz persönlichen Blickwinkel.
Wie es uns in Spanien und Portugals so ging
Wer schon einmal in Südamerika war, und dort die Länder Argentinien und Chile kennen gelernt hat, kann sich sicher an die doch recht eindrücklichen Unterschiede der beiden Nachbarstaaten erinnern. Da ist zum einen Argentinien, das einen in seinen Bann zieht, sobald man die Grenzschranke passiert hat. Die Landschaft tut sich auf und füllt die Seele mit dem berauschenden Gefühl unendlicher Weite. Kilometer und aber-Kilometer können vergehen ohne dass sich großartig was ändert und diese verschwenderische Menge an Land füllt ein freiheitsliebendes Herz mit Aufatmen. Diese Größe scheint sich auch auf die Menschen übertragen zu haben, denn die Distanzen von Ort zu Ort sind oft lang. Deshalb rückt man näher zusammen, ist gesellig und offen – auch für die Neuigkeiten draußen aus der Welt.
Das Nachbarland Chile dagegen ist lang und schmal. Man ist abgeschottet zwischen den hohen Anden im Osten und dem Pazifik im Westen. Im Norden endet das Land in einer unwirtlichen Wüste und im Süden in den unzugänglichen Kanälen Patagoniens. Schluchten, Wälder, Fjorde oder Vulkane faszinieren – aber meist fehlt der Weitblick woanders hin. Man ist engstirniger, und versucht durch Gesetzes- und Ordnungsliebe den Anderen ein Vorbild zu sein. Auch hier prägt das Land die Menschen und ihr Gemüt und oft hört man von den Chilenen selbst, sie hätten das schönste Land der Welt – vielleicht auch, weil sie lieber zuhause bleiben als woanders hin zu reisen.
An diesem Punkt möchten wir nun die Brücke zu unseren Ländern Spanien und Portugal schlagen, und die Parallelen sind des Öfteren verblüffend. Auch in Spanien haben es uns die vielen leeren Landstriche angetan, die wohl nicht mit den Weiten Argentiniens vergleichbar sind, aber dennoch wohltuend wirken; wir nennen es sogar manchmal “Klein-Argentinien”. Die Spanier sind für uns leicht zugänglich und ihre kumpelhafte, zuvorkommende Art lässt einen gerne dort sein. Vielleicht trägt zu diesem positiven Gefühl aber auch bei, dass uns das Spanisch leichter von der Zunge geht als das Portugiesisch des Nachbarlandes. Die Küsten des Baskenlandes, von Kantabrien, Asturien, Galicien und Andalusien waren ausgesprochen abwechslungsreich und dazu reichlich abgedeckt mit vielen schönen Marinas.
Wenn man von den Anhöhen Spaniens ins kurvenreiche Portugal eintaucht, ändert sich die anfangs relativ menschenleere Gegend in Richtung Atlantik bald ins Gegenteil. Die meisten Portugiesen leben an der Küste und finden dort ihr Auskommen. Das drückt sich an zunehmendem Gedränge im Verkehr, an dicht aneinander liegenden Städtchen, durch ein buntes Mischmasch von Wohn- und Industrieanlagen und ebenso durch monströse touristische Bettenburgen aus. Highlights wie Porto, Lissabon oder Nazaré sind auf alle Fälle sehenswert, aber auch meist heillos von Besuchern überlaufen. Auch an der weiter entfernten Algarve tummeln sich monatelang jede Menge regenmüder Briten, was dem portugiesischen Flair nicht immer gut tut. Das soll nicht heißen, dass es uns in Portugal nicht gefallen hat, aber das Land erster Wahl wäre es wahrscheinlich nicht. Als wir bei Ayamonte am Rio Guadiana wieder den ersten “normalen” – sprich untouristischen spanischen Hafen erreichten, war das für uns wie Heim kommen. Für manche Segler sind portugiesische Marinas wie in Albufeira oder Vilamoura absolut toll – für uns eher teure Geldmaschinen, die man sich höchstens noch im Winter leisten kann.
Zeitgeschichte zweier Rivalen – der Vertrag von Tordesillas
Die Rivalität der beiden Länder ist uralt. Aber so richtig begonnen hat sie mit der Seefahrt. Anfang 1476 kamen die Kämpfe an der portugiesisch-kastilischen Landesgrenze nahezu zum Erliegen und man begann, die Streitigkeiten auf das Meer vor der nordafrikanischen Küste zu verlagern. Schließlich ging es um alles oder nichts – vielleicht besser ausgedrückt um die Vorherrschaft im weltweiten Handel. In dieser Zeit suchte man den Zugang zu den Gewürzinseln und man war dabei, den neuen Kontinent Amerika zu entdecken. Doch wem sollte was gehören? Entscheidungsträger war zu der Zeit der allmächtige Papst, ohne dessen Zustimmung kein bindender Vertrag zustande kam. Kirche und Geld waren schon jeher eng verknüpft und ohne diese “Bullen” – wie man die vom Papst gezeichneten Konfliktlösungen nannte – war zumindest kein temporärer Friede möglich. Ohne die bewusste Unterstützung durch die katholischen Kirche, ganze Welten auf dem Papier zu verteilen und dann zu erobern, hätte weder ein Cortés in Mexiko noch ein Pizarro in Peru dortige Hochkulturen untergehen lassen können.
Im Vertrag von Tordesillas wurde deshalb 1494 in der spanischen Stadt Tordesillas folgender Vertrag geschlossen: eine imaginäre Linie von Nord- zu Südpol, die 370 Leguas (1 Legua = ca. 3,3 NM) westlich der westlichsten Insel der Kap Verden verläuft, trennt die Herrschaftsgebiete Spaniens und Portugals. Alle Ländereien und Inseln westlich dieser Linie gehören zu Spanien, alle Ländereien und Inseln östlich dieser Linie zu Portugal. In der Folge hatte dieser Vertrag weitreichende Folgen etwa für die Aufteilung Südamerikas und auch für dessen Ureinwohner. Der Grund, weshalb heute in Brasilien Portugiesisch und in den Andenländern Spanisch gesprochen wird, findet seine Ursache im Vertrag von Tordesillas.
Von gestern zu heute
Die Seefahrernationen Spanien und Portugal sind heute nicht mehr dabei, ihre Staatsgebiete in Übersee zu erweitern sondern eher, ihre Grenzen aus Übersee zu schützen. Eingegliedert in Europa hat die alte Rivalität abgenommen, doch beste Freunde sind sie immer noch nicht. Die unterschiedlichen Charaktere beider Nationen waren für uns deutlich zu spüren, wobei die Spanier eher zum Emotionalen und Direkten, die Portugiesen eher zum Verhaltenen und Ruhigen neigen. Wer handwerkliche Arbeit und Ersatzteile fürs Boot benötigt, ist in Spanien deutlich besser bedient als in Portugal, denn dort wird nahezu alles aus Spanien importiert.
Spanien und Portugal laden also ein, ihre lange Atlantikküste mit vielen verschiedenen Gesichtern zu erkunden. Eine Reise entlang der iberischen Halbinsel ist auf alle Fälle interessant, wenn auch manchmal wettermäßig nicht ganz einfach. In diesem Sinne freuen wir uns auf Neues!