VON WORKUM NACH NORDSPANIEN!

Reisen ist: Fantasie gegen Erfahrung zu tauschen!

Um es kurz zu machen, hier die Fakten: 1263 Seemeilen in großzügigen, zweieinhalb Monaten…das wärs eigentlich schon, wenn da nicht jede Menge wunderbare, zittrige, ärgerliche, freudige und auch ein paar angstvolle Momente dabei gewesen wären.

Unterwegs sein mit dem Boot

…hat in dem Sinne mit Urlaub machen nichts zu tun. Auch nicht mit irgendwo zwei Wochen eine Yacht chartern und auch nichts mit Mitsegeln. Das Mitsegeln haben wir irgendwann aufgegeben, da uns bewusst geworden war, dass wir auf diese Art und Weise nichts dazu lernen können. Denn: sobald es in den Hafen geht übernimmt der Skipper, den Kurs bestimmt der Skipper und die entscheidenden Manöver natürlich auch. Auf der einen Seite ist das ja ganz angenehm, denn letztendlich hat man keine Verantwortung. Weder für sich, noch für das Schiff. Und wenn was kaputt geht, regelt das schon der Reiseveranstalter mit seiner Versicherung. Soweit so gut, aber der springende Punkt ist: man kommt auf diese Art und Weise auf Dauer nicht weiter.

Unsere jetzige Situation gestaltet sich ganz anders. Denn niemand sagt uns, ob und wohin wir am nächsten Tag fahren sollen. Womit es schon los geht mit den Entscheidungen. Die Wetterapps sind uns zum ständigen Begleiter geworden. Morgens, Mittags, Abends…mit nahender Abfahrt Tendenz steigend. Gestern wars noch so angekündigt und heute hat sich’s schon wieder verändert. Jetzt stellt sich die Frage, ob der ursprüngliche Plan bestehen bleibt oder schon wieder über Bord geworfen wird. Längeres Bleiben in der Marina hat wiederum finanzielle Folgen, denn jeder Tag kostet.

Prinzipiell steht bei uns die Sicherheit ganz oben. Wenn’s unklar ist, bleiben wir lieber und warten. Denn: eigentlich drängt uns ja niemand – außer man hat einen festen Termin in Form von Flügen oder Besuch. Auch da haben wir dazugelernt: in Zukunft werden wir die Buchung von Flügen so lange wie möglich hinauszögern um sicher zu sein, das Ziel auch in Ruhe schaffen zu können. Und Besuch werden wir nur erwarten, wenn wir mit Sicherheit ohne Stress am vereinbarten Ort sein können.

Wieviel ist gut für einen Tag

Bestimmt wird sich auch bei uns die Art und Weise des Reisens noch einige Male ändern oder anpassen. Für dieses Mal können wir aber sagen, dass wir uns viel Zeit gelassen haben und nicht das Gefühl aufgekommen ist, dass wir in Hetze sind. Etliche Male mussten wir wetterbedingt mehrere Tage oder gar eine Woche warten bis es weiterging. Angenehm für uns haben sich Tagesetappen von 25-30 Seemeilen herausgestellt. 50 Meilen sind schon ganz ordentlich, es waren aber auch einige Tage mit mehr als 60 Seemeilen dabei. Solche Strecken waren natürlich auch den Entfernungen von Hafen zu Hafen geschuldet und nicht minder entscheidend für die Streckenführung waren die eingeschränkten Möglichkeiten durch die Tiden. Viele Häfen in Frankreich haben nur ein relativ kurzes Zeitfenster zum Ein- und Auslaufen, dazu kommt die Berücksichtigung der Strömungen. Man sollte nicht Wind, Welle und Strömung gegen sich haben, aber: bei einer Tagesetappe von 12 Stunden lässt sich irgendwann die Gegenströmung gar nicht vermeiden.

Und nochmals zu den Entscheidungen

Es gibt so viel zu entscheiden, aber genau das macht ja den Reiz aus. Wenn wir am Abend die Etappe geschafft haben – egal was auch dazwischen kam – fühlt sich das einfach großartig an. Kein Abendessen schmeckt so lecker wie nach einem Tag auf See. Trotzdem wünschten wir uns des Öfteren, dass es doch einfach ruhiger zugehen könnte und nicht fast jeden Tag neue Überraschungen auf uns warteten. Die kamen dann meistens noch am Tagesende, wenn man schon meinte, es geschafft zu haben, wie etwa:

  • Solarpaneel kaputt gefahren in der Schleuse nach Stellendamm
  • Marina Cadzand in Belgien rappevoll mit Chartertouristen, die uns nicht ins Päckchen ließen
  • Heftige Dünung in der Hafenausfahrt von Boulogne-Sur-Mer, so dass wir wieder umdrehten
  • Eine Woche in Dielette mit Sturm, 10 Meter Tidenhub und einem Gezeitenkoeffizienten von über 100
  • Meterhohe Wellen durch gewalttätige Strömungen an Jersey vorbei
  • Erdölverladepark vor Saint-Quay-Portrieux, um den wir wegen heftiger Gegenströmung fast nicht herumkamen
  • Zollkontrolle vor Perros-Guirec in strömendem Regen
  • Horrorblindflug nach Roscoff in dichtestem Nebel
  • Nach unserer Nachfahrt vor der Ansteuerung von Anglet plötzlich dichter Nebel
  • Von Santander nach Ribadasella: 62 Meilen mit heftiger Dünung – 12 Stunden Schiffschaukel

Hätten wir das nicht alles erlebt, dann wären wir heute ein paar Erfahrungen ärmer. Und Erfahrungen vererben sich bekanntlich nicht – jeder muss sie alleine machen.

Erfahrung ist die beste Lehrmeisterin, und das Gute daran ist: man bekommt stets Einzelunterricht (Inge Meysel).