Sehnsuchtsort Patagonien!

Warum übt dieser über weite Distanzen gottverlassene Fleck Erde solche Faszination aus? Warum setzt man sich Sturm, Regen und Kälte aus? Ganz einfach, weil man in dieser Urlandschaft noch spüren kann, dass es etwas Größeres gibt als uns!

PATAGONIEN – immer mehr Menschen zieht es in den tiefen Süden von Chile und Argentinien – wenn auch nur kurzfristig als Besucher. Wer es länger dort aushalten will, muss sich ein dickes Fell zulegen – nicht nur, um für die Launen des Wettergottes gewappnet zu sein. Patagonien ist allein in Argentinien mehr als doppelt so groß wie Deutschland und hat zum Teil weniger als 1 Einwohner pro Quadratkilometer. Die imaginäre Linie bildet der Rio Colorado in Argentinien und der Rio Bio Bio in Chile. Alles was südlich dieser beiden Flüsse liegt, bezeichnet man als Patagonien, einschließlich der Feuerland-Insel. Die Ureinwohner banden sich Guanakofelle um die blanken Füße und verursachten dadurch ausladende Spuren im Schnee. Die Großfüßler – die Patagones – gaben dem Land seinen Namen.

Soweit das Auge reicht – nichts als Steppe. Das stimmt zumeist für den argentinischen Teil Patagoniens, nicht so in Chile. Die schweren Regenwolken aus West bleiben in den Anden Chiles hängen und verursachen immensen Niederschlag. Bis zu 5000 mm Regen fällt entlang der Carretera Austral, der südlichen Straße. Die ersten Siedler in Puyuhuapi, einem einsamen Dorf am Meeresfjord an dieser Carretera Austral, waren Deutsche. Man braucht Durchhaltevermögen, Charakterstärke, eisernen Willen und muss “lebenstauglich” sein, um dort 300 Regentage im Jahr auszuhalten. All dies sind Eigenschaften, die uns verweichlichten Wohlstandsbürgern heutzutage fehlen. Pionier-und Erfindergeist gehört dazu, um in Patagonien Fuß fassen zu können.

Auf der anderen Seite des längsten Steinwalls der Welt regnet es längst nicht so viel. Dafür verursacht der große Luftdruckunterschied zwischen diesseits und jenseits des Gebirges den Wind, der nicht selten Sturm- oder Orkanstärke erreichen kann. Im argentinischen Teil Patagoniens ist es nicht mehr grün wie in Chile, eine karge Steppenlandschaft verbreitet sich bis zum nächsten Horizont. Manchmal treten viele Farben zu Tage, manchmal erinnern Tafelberge an das Monument Valley in Nordamerika, manchmal zaubern tiefblaue Seen und Flüsse einen fast irrealen Kontrast in diese Einöde.

Unterwegs im Land des Windes. Aufpassen muss man auf Vieles, wenn man sich durch dieses fast menschenleere Land bewegt. Zum Beispiel auf den Wind, der einem gerne mal die Autotür aus der Hand reißt oder von einem entgegenkommenden Fahrzeug einen großen Stein in die Windschutzscheibe wirft. Aufpassen muss man auf Guanakos, Gürteltiere und Hasen, die urplötzlich vor einem auftauchen und auf die andere Straßenseite wollen. Und da sind die Unbilden des Wettergottes, der heute milde gelaunt ist und dafür morgen seine ganz schlechte Laune an einem auslässt.

Tiere, Berge, Wolken und Eis!

All jene, die diese Mischung interessant finden, lädt dieser endlose Landstrich am Ende der Welt ein zu kommen. Deshalb tummeln sich heute immer mehr Reisende aus der ganzen Welt in Patagonien herum und lassen die Besucherzahlen in der Hochsaison in ungeahnte Höhen schnellen. Gut für die Patagonier, die in ihrer kurzen Saison als Entschädigung reichlich Kasse machen. Entschädigung für den langen, kalten und dunklen Winter. Entschädigung für die Abgeschiedenheit, der man 7 Monate im Jahr ausgesetzt ist. Entschädigung für die kleinen Probleme der Touristen, denen man geholfen hat. Und wenn dann ab April wieder Ruhe einkehrt, wenn der Wind sich beruhigt und den Winterschlaf beginnt, wenn sich im Land am Ende der Welt wieder Guanako und Gürteltier gute Nacht sagen – dann träumt dieser Sehnsuchtsort wieder seinen eigenen Traum. Unendlich lang, unendlich weit, unendlich schön, unendlich still!

Nicht da wo es am Lautesten ist, sondern in der Stille und fernab der hektischen Welt werden große Gedanken geboren!